Diskussion:regulative Regel

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Fragen zur Definition[Bearbeiten]

  1. Was ist der Prozess? Es kann sein, dass er den implizierten Ablauf des vorangehenden wie etwas abläuft meint; aber was meint er in der Alternative wie man etwas tun soll? Eine Norm ist kein Vorgang, und fordert sie ein bestimmtes Vorgehen, so ist dieses alles andere als unabhängig von der Norm - außer natürlich, man beachtet sie nicht. Und wenn man unter einem Ablauf einen physikalischen versteht, und unter den darstellenden (beschreibenden?) Regeln Naturgesetze, so gilt hier Abhängigkeit im höchsten Grade: der Vorgang genügt dann den Naturgesetzen.
  2. Wieso überhaupt kommen in der Definition die deskriptiven Regeln - "wie etwas abläuft" - und die normativen - "wie man etwas tun soll" - unter einen Hut? Das heißt ja geradezu Naturgesetze und die gewöhnlichen Gesetze gleich behandeln, die doch - außer sprachlich - reichlich verschiedene Dinge sind. Wieso geht das hier?
  3. Wieso stellen die regulativen Regeln dar, wie etwas abläuft / wie man etwas tun soll. Vor beiden folgenden Verben erschiene mir beschreiben gängiger. Was soll die wohl bewußt andere Formulierung sagen? Das hiesige darstellen half nicht.

-- Ipfuge (Diskussion) 21:42, 23. Nov. 2008 (CET)

Zitat aus Bußmann, Lexikon der Sprachwiss.: „Regulative Regeln. Verhaltensregeln, die unabhängig von ihnen existierende Verhaltensformen (wie z.B. zwischenmenschliche Beziehungen oder den Straßenverkehr) regeln, im Unterschied zu Konstitutiven Regeln, die Verhaltensformen definieren.“ Gemeint: menschliches Verhalten existiert, ob wir nun Regeln dafür aufschreiben oder nicht; manche Dinge kommen aber nur durch "konstitutive Regeln" zustande, z.B. ein Schachspiel. Es handelt sich um Regel-Begriffe aus der Sprechakttheorie. Mit "Prozess" ist menschliches Verhalten gemeint, vielleicht nicht optimal ausgedrückt; hat jedenfalls nichts Naturgesetzliches.

Wir haben bestimmte Gewohnheiten, wie wir uns begrüßen. Sie haben sich durch Konvention eingestellt. Nun kann ich versuchen, diese Konventionen in Form von Regeln darzustellen, von mir aus zu beschreiben. Die Konvention (die versch. Prozesse des sich Grüßens) existieren, ob man sie nun in Form von Regeln - = regulative Regeln - beschreibt oder nicht. Es geht nur um den Unterschied zu den konstitutiven Regeln: Ein Schachspiel wird nur durch seine Regeln definiert; es existiert nicht unabhängig von diesen Regeln. So scheint mir der Tenor bei diesen beiden Konzepten zu sein, wenn ich ihn richtig verstehe. Dr. Karl-Heinz Best (Diskussion) 22:06, 23. Nov. 2008 (CET)

Ich habe Deine Ausführungen gelesen, kann aber nicht behaupten, alles schon verstanden zu haben. Klar scheint mir zu sein, dass es sich bei beiden, den konstitutiven wie den regulativen Regeln, um Verhaltensregeln handelt, und dass die regulativen schlichtweg das Komplement der konstitutiven in dieser Klasse sind, also gar nicht positiv definiert sind. Insofern scheint mir eine Ergänzung der "Regeln" in den Lemmata zu "Verhaltenregeln" hilfreich für den Leser; denn es gibt auf der Welt erklecklich viele Arten von Regeln, schon im Zusammenhang mit Sprache sind es nicht wenige. Da Verhaltensregeln ohnehin alle - jedenfalls in bestimmtem Sinne - normativ sind, fällt dann auch die vermeintliche Zusammenfassung von Deskriptivem und Normativem hinweg.
Was folgt, sind vage, teils widersprüchliche Ideen.
  1. Anscheinend sind konstitutive Regeln, als das Besondere, Positive, viel leichter zu definieren als die regulativen. Vielleicht dann bei den regulativen nur schreiben: "Verhaltensregeln, die aber keine konstitutiven Regeln sind" ? Man sparte sich dann das m.E. leicht misszuverstehende unabhängig und verwiese auf genau den Fleck, wo die Musik spielt.
  2. Konstitutive Regel zu sein ist vermutlich kein einfaches Prädikat einer Verhaltensregel, sondern eine Relation zwischen einer solchen und einer Verhaltensform, einem Verhaltensspiel, wie immer man das nennen will oder muss. (Im Folgenden behelfsweise VS genannt). Was im Hinblick auf das eine VS nämlich konstitutiv ist, mag es in Bezug auf ein anderes VS nicht sein. Beispiel: In bestimmten Kartenspielen muss man in bestimmter Situation seine Absicht mit der Äußerung "Passe" bekanntgeben. In anderen alltäglichen Situationen kann man, aber muss man nicht, sein Zurückstehen, Nicht-Folgen-Wollen o.Ä. mit derselben Äußerung kundgeben. Natürlich setze ich für die Schlüssigkeit dieses Beispiels voraus, dass Verhaltensregeln immer zwingen, und dass, was nur erlaubt ist, keiner Verhaltensregel folgt. Vermutlich lassen sich auch andere Beispiele finden. Wenn ja, wäre jedenfalls etwas nicht schlechthin eine konstitutive Regel, sondern für etwas, hätte also eine Valenz.
  3. Man sollte klarmachen, ob beispielsweise das Fußballspiel durch eine einzige konstitutive Regel definiert ist oder durch mehrere. Im einen Fall verwiese der Plural der Wortes immer auf verschiedene VS, im anderen nicht unbedingt. Der erste Fall schiene mir sinnvoller, aber ich kenne die geltende Gebrauchskonvention nicht.
  4. Kann man Fußball spielen, ohne es zu wissen? Wenn ja, definiert eine konstitutive Regel desselben wohl nur den Namen des Spiels. Wenn die Spieler ein Spiel zufällig und ad hoc nach genau den üblichen Regeln des Fußballs vereinbart hätten und spielten, spielen sie dann Fußball, oder müssen sie wissen, dass sie „Fußball“ spielen, um es zu spielen?
Jetzt aber gute Nacht! -- Ipfuge (Diskussion) 01:09, 24. Nov. 2008 (CET)

Ich kann den Überlegungen nur mit einem weiteren Zitat begegnen. Der engl. Sprachphilosoph J.R. Searle, der diese Unterscheidung in die Sprachphilosophie und damit letztlich in die Linguistik eingebracht hat, führt dazu aus: „Die regulativen Regeln können wir zunächst als Regeln charakterisieren, die bereits bestehende oder unabhängig von ihnen existierende Verhaltensformen regeln - zum Beispiel regeln viele Anstandsregeln zwischenmenschliche Beziehungen, die unabhängig von jenen Regeln existieren. Konstitutive Regeln dagegen regeln nicht nur, sondern erzeugen oder prägen auch neue Formen des Verhaltens. Die Regeln für Fußball oder Schach zum Beispiel regeln nicht bloß das Fußball- oder Schachspiel, sondern sie schaffen überhaupt erst die Möglichkeit, solche Spiele zu spielen.“ (John R. Searle: Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay. Suhrkamp, Frankfurt 1971, S. 54. ISBN. Dt. Übersetzung des engl. Originals von 1969.) Leider kann ich nicht überprüfen, ob die Übersetzung optimal ist. Ich persönlich habe Schwierigkeiten mit der Auffassung, die regulativen Regeln "regelten" irgendetwas; sie stellen ja eigentlich nur den Versuch dar, die Konventionen, die gelten, in Form von Regeln darzustellen; die Konventionen sind davon aber eigentlich überhaupt nicht betroffen. Ein Moment des Normativen kommt offenbar nur den konstitutiven Regeln zu.

Zum Fußball: Man kann sicher viele Varianten von Fußball spielen; der Regelkanon wird ja auch immer wieder verändert. Ein Minimum an Regeln, z.B. Tor erzielen, Gegenspieler nicht bewusst verletzen, nur mit den Füßen den Ball berühren... sind sicher notwendig. Mit jeder Regeländerung erhält man eine andere Art von "Fußball". Wenn man einem Kind, das keinerlei Regeln kennt, einen Ball gibt, wird es vielleicht sogar dagegen treten, aber sicher nicht in irgendeinem Verständnis "Fußball spielen".

Ich glaube, es ist hier wichtig, zur Kenntnis zu nehmen, auf welchen Unterschied es Searle u.a. bei den beiden Regeltypen ankommt. Für einen Wörterbuchartikel ist es irrelevant, ob sich diese Differenzierung bewährt; er ist dadurch gerechtfertigt, dass diese Differenzierung in der Sprachphilosophie/ Linguistik eine ziemlich große Bedeutung erlangt hat, dass es also vermutlich Leute gibt, die das Bedürfnis haben, etwas dazu zu erfahren. Dr. Karl-Heinz Best (Diskussion) 09:35, 24. Nov. 2008 (CET)