wertneutral

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wertneutral (Deutsch)[Bearbeiten]

Adjektiv[Bearbeiten]

Positiv Komparativ Superlativ
wertneutral wertneutraler am wertneutralsten
Alle weiteren Formen: Flexion:wertneutral

Worttrennung:

wert·neu·t·ral, Komparativ: wert·neu·t·ra·ler, Superlativ: am wert·neu·t·rals·ten

Aussprache:

IPA: [ˈveːɐ̯tnɔɪ̯ˌtʁaːl]
Hörbeispiele: Lautsprecherbild wertneutral (Info)

Bedeutungen:

[1] Sprache: neutral (= nicht wertend) formuliert; Worte verwendend, die nicht negativ/positiv besetzt sind
[2] in ethischen/philosophischen/religiösen Fragen unparteiisch

Herkunft:

Determinativkompositum aus dem Substantiv Wert und dem Adjektiv neutral

Synonyme:

[1] wertfrei

Sinnverwandte Wörter:

[1] sachlich
[2] objektiv, sachlich, unbeeinflusst, unvoreingenommen
[2] religionsfrei, säkular, unparteiisch

Gegenwörter:

[1] wertend

Beispiele:

[1] Die Begriffe 'Neger', 'Zigeuner' und 'schachern' sind im Deutschen negativ besetzt und damit nicht wertneutral.
[1] „Die Sinti-Allianz schlug vor, auch auf dem Denkmal von Zigeunern zu sprechen. Wertneutral verwendet sei das Wort nicht diskriminierend. Das lehnte der Zentralrat ab: Der Begriff spiegele den Sprachgebrauch der Nazis wider.“[1]
[1] „Einer der Vortragenden forderte die Zuhörer auf, den Begriff „Lobbyist“ endlich wertneutral aufzufassen.“[2]
[1] „Trotzdem scheint mir das Wort Suizid der wertneutralste Ausdruck für diese Art des Sterbens zu sein.“[3]
[1] „Etwa seit den 1920er Jahren wird "Barock" wertneutral als Epochenbegriff verwendet.“[4]
[1] „Als Synonym für das wertneutralere muçulmanos verwendete er häufig in der Darstellung der mittelalterlichen Kämpfe das eher wertende infiéis.“[5]
[1] „Der Begriff der Verständigung entspricht nicht nur der Wahl des Gesetzgebers, sondern ist gegenüber dem „Deal“ nach hiesiger Auffassung der wertneutralste Begriff.“[6]
[1] „Das Wort Mischpoke bedeutete im Jiddischen, das vor 100 Jahren noch 10 Millionen Menschen weltweit gesprochen hatten, einfach Familie – „mischpoche“. Ganz wertneutral. Weder positiv, noch negativ. Eingedeutscht bekommt es einen düsteren Beiklang, eine Anrüchigkeit, wie eine verschworene Gemeinschaft.“[7]
[1] [Sekte:] „Der ursprünglich wertneutrale Ausdruck hat aufgrund seiner Geschichte und Prägung durch den kirchlichen Sprachgebrauch einen meist abwertenden Charakter erhalten und wird seit den 1960er Jahren verstärkt in negativem Sinn verwendet.“[8]
[1] „Überdies problematisierten Wissenschaftler und Politiker die normative Aufladung von Begriffen wie „unvollständige Familie“ und präferierten zusehends wertneutralere Termini wie „Ein-Eltern-Familie“.“[9]
[1]  [Coronapandemie 2021: Friedemann Vogel:] „»Ein anderes Beispiel ist Söders Formulierung "Öffnungsrausch": Das unterstellt Forderungen nach Öffnungen eher krankhafte Motive.«
[BR:] »Das müssen Sie erläutern.«
[Friedemann Vogel:] »Das Wort "Öffnung" ist wertneutral, vielleicht sogar positiv. Man denkt an Lockdown-Ende und mehr Bewegungsfreiheit. Durch den Zusatz "Rausch" wird das Ganze im gleichen Atemzug als negativ, irrational und verantwortungslos markiert.«“[10]
[1, 2] „Die Gegner einer Reform wenden meist ein, es sei nicht „natürlich“, dass homosexuelle Paare Kinder bekommen oder Frauen, die nicht zeugungsfähig sind. Das Wort „natürlich“ führt in solchen Argumenten immer ein Doppelleben. Die erste, die wertneutrale Lesart trifft häufig sogar zu: Ohne medizinische Hilfe würde in diesen Fällen oft kein Kind auf die Welt kommen. Die zweite Lesart von „natürlich“ hingegen ist nicht wertneutral, sondern moralisch aufgeladen.“[11]
[2] Das Thema 'Abtreibung' wird in den USA selten wertneutral diskutiert.
[2] „Politik ist nicht bloß wertneutrales Management von unterschiedlichen Interessenslagen.“[12]
[2] „Ihrer Ansicht nach war das Gymnasium in Crestol die wertneutralste Schule der Welt.“[13]
[2] […] „Ist die Prognose wertneutral und wissenschaftlich oder eine politische Anweisung zum Handeln?“[14]
[2] „Nach dem Linksruck in Athen stand das Angebot von Bildungsminister Nikos Philis fest: Ein wertneutrales Fach "Religionswissenschaft" sollte an die Stelle des traditionellen, von der orthodoxen Kirche geprägten Religionsunterrichts treten.“[15]
[2] „»Religionskundlicher Unterricht soll zwar nicht 'wertneutral', aber 'weltanschaulich neutral' sein«, definiert Friedrich Schweitzer, Professor an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen, das Konzept.“[16]
[2] „1985 wurde in den Niederlanden das Lernfeld "Geistige Strömungen" eingeführt. Die Schüler der Grundschulstufe und Sekundarstufe I sollen konfessionsübergreifend und wertneutral die kulturelle Vielfalt des Landes kennenlernen.“[17]
[2] „Strikt getrennt sind Kirche und Staat beispielsweise in Frankreich. So strikt, dass an französischen Schulen gar kein Religionsunterricht erteilt wird. Andere Länder sind der Ansicht, dass Religion zwar in die Schule gehört – aber bitte wertneutral.[18]
[2] [Bayerische Islamunterricht:] „»Der Staat ist wertneutral, dabei werden also die Inhalte des Islam vermittelt, aber auch Werte der Bundesrepublik Deutschland.«“[19]
[2] „Mit der für ihn typischen, wertneutralen und zurückhaltenden Art, Aspekte aus dem Leben und der Denkweise der Menschen in der russischen Provinz darzustellen, gilt Tschechow als einer der bedeutendsten Autoren der russischen Literatur.“[20][21]

Charakteristische Wortkombinationen:

[1] mit Verb: wertneutral formulieren / schreiben
[1] mit Substantiv: eine wertneutrale Formulierung, ein wertneutraler Ausdruck / Begriff / Satz / Terminus, ein wertneutrales Wort
[2] mit Substantiv: eine wertneutrale Schule, ein wertneutraler Unterricht, ein wertneutrales Schulfach

Wortbildungen:

Wertneutralität

Übersetzungen[Bearbeiten]

[1] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „wertneutral
[*] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache – Korpusbelege [dwdsxl] Gegenwartskorpora mit freiem Zugang „wertneutral
[*] Uni Leipzig: Wortschatz-Portalwertneutral
[*] Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch – elexiko „wertneutral
[*] Wikipedia-Suchergebnisse für „wertneutral
[*] PONS – Deutsche Rechtschreibung „wertneutral
[1] Duden online „wertneutral

Quellen:

  1. Mathias Bölinger: Vergessene Opfer, verzögertes Denkmal. In: Deutsche Welle. 25. April 2012 (URL, abgerufen am 6. Mai 2022).
  2. Daniel Pelz: Deutschland – Traumjobs zu verschenken. In: Deutsche Welle. 1. Oktober 2008 (URL, abgerufen am 6. Mai 2022).
  3. Christiane zur Nieden: Sterbefasten. Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit - Eine Fallbeschreibung. Mabuse-Verlag, 2016, ISBN 9783863212773, Seite 130 (Zitiert nach Google Books)
  4. G. Petruschka: Barock – Unregelmäßige Perle. In: Bayerischer Rundfunk. 19. August 2021 (URL, abgerufen am 6. Mai 2022).
  5. Patricia Hertel: Der erinnerte Halbmond. Islam und Nationalismus auf der Iberischen Halbinsel im 19. und 20. Jahrhundert. De Gruyter, 2015, ISBN 9783486717402, Seite 68 (Zitiert nach Google Books)
  6. Patricia Rabe: Das Verständigungsurteil des Bundesverfassungsgerichts und die Notwendigkeit von Reformen im Strafprozess. Mohr Siebeck, 2017, ISBN 9783161548765, Seite 9 (Zitiert nach Google Books)
  7. Mechthild Klein: Antisemitismus in der Sprache – Wenn die Mischpoke schachert. In: Deutschlandradio. 1. Dezember 2020 (Deutschlandfunk / Köln, Sendereihe: Tag für Tag, Buchbesprechung: Ronen Steinke: „Antisemitismus in der Sprache“, Duden Verlag, 2020, Text und Audio zum Download. Dauer 08:11 mm:ss, URL, abgerufen am 6. Mai 2022).
  8. Wikipedia-Artikel „Sekte“ (Stabilversion)
  9. Christopher Neumaier: Familie im 20. Jahrhundert. Konflikte um Ideale, Politiken und Praktiken. De Gruyter, 2019, ISBN 9783110651010, Seite 506 (Zitiert nach Google Books)
  10. Maximilian Heim: Corona-Sprache: "Die Menschen sind ja nicht doof". In: Bayerischer Rundfunk. 21. März 2021 (Interview mit Friedemann Vogel, Germanistik-Professor an der Universität Siegen, URL, abgerufen am 6. Mai 2022).
  11. Philipp Hübl: Leihmutter- und Mehrelternschaft – Es ist Zeit für die „Familie für alle“. In: Deutschlandradio. 18. August 2019 (Deutschlandfunk Kultur / Berlin, Sendereihe: Sein und Streit, Text und Audio zum Download, Dauer 03:50 mm:ss, URL, abgerufen am 6. Mai 2022).
  12. Antje Schrupp: Zum Sonntag – Gibt es eine moralische Pflicht zu teilen?. In: Bayerischer Rundfunk. 11. Februar 2022 (URL, abgerufen am 6. Mai 2022).
  13. Juliane Hornstein: Die Finsternis der Erde. Elements` End. 2, BoD - Books on Demand, 2020, ISBN 9783750434783, Seite 64 (Zitiert nach Google Books)
  14. Fabian Schmidt: Club of Rome schaut skeptisch in die Zukunft. In: Deutsche Welle. 8. Mai 2012 (URL, abgerufen am 6. Mai 2022).
  15. Jannis Papadimitriou: Griechenland – Streit um Religionsunterricht in Griechenland. In: Deutsche Welle. 7. Oktober 2016 (URL, abgerufen am 6. Mai 2022).
  16. Ingun Arnold: Kultur – Religionsunterricht in Europa. In: Deutsche Welle. 14. April 2005 (URL, abgerufen am 6. Mai 2022).
  17. Ingun Arnold: Staatsschule ohne Religion. In: Deutsche Welle. 13. April 2005 (URL, abgerufen am 6. Mai 2022).
  18. Ralf Lehnert: Kultur – Die nationale Gretchenfrage. In: Deutsche Welle. 2. November 2002 (URL, abgerufen am 6. Mai 2022).
  19. Daniel Knopp: Wahlpflichtfach Islam: Große Nachfrage in Bayern. In: Bayerischer Rundfunk. 17. März 2022 (Aussage des bayerischen Kultusministers Michael Piazolo, URL, abgerufen am 6. Mai 2022).
  20. Klassiker der russischen Literatur – Rothschilds Geige. In: Deutschlandradio. 18. Oktober 2016 (Sendereihe: Hörspiele und Feature, URL, abgerufen am 6. Mai 2022).
  21. Wikipedia-Artikel „Anton Pawlowitsch Tschechow“ (Stabilversion)
  22. Cambridge Dictionaries: „unbiased“ (britisch), „unbiased“ (US-amerikanisch)