jemandem die Leviten lesen

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jemandem die Leviten lesen (Deutsch)[Bearbeiten]

Redewendung[Bearbeiten]

Nebenformen:

veraltet umgangssprachlich seltener: jemandem den Leviten lesen

Worttrennung:

je·man·dem die Le·vi·ten le·sen

Aussprache:

IPA: [ˌjeːmandəm diː leˈviːtn̩ ˌleːzn̩]
Hörbeispiele: Lautsprecherbild die Leviten lesen (Info)

Bedeutungen:

[1] umgangssprachlich: jemanden wegen eines tadelnswürdigen Verhaltens streng zurechtweisen, sehr ernste Vorhaltungen machen (und nachdrücklich auf seine Aufgaben, Pflichten hinweisen)

Herkunft:

Die ab dem 15. Jahrhundert[1][2][3] bezeugte Wendung stammt aus dem Mönchswesen.[4][5] Bereits im 8. Jahrhundert gehörten bestimmte Andachts- und Bußübungen zum Ordensleben der Benediktiner.[4][5] Dabei wurde meist ein Text aus der Bibel verlesen, sehr häufig aus dem dritten Buch Moses, das auch „Levitikus“ genannt wird, weil es vorwiegend Verhaltensmaßregeln für Priester (Leviten) enthält.[4][5][1] Auf die Lesungen folgten oft noch Mahn- und Strafpredigten zur Besserung der verwilderten Geistlichkeit.[4][5] Dieser disziplinarische Akt wurde auch „Levitenmesse“ genannt.[6] Das Lesen des „Levitikus“ und die anschließende „Levitenmesse“ konnten sich so in der sprachlichen Überlieferung leicht als Umschreibung für Tadel, Ermahnung und Rüge[1] verfestigen.[4][5] (zur Übertragung vergleiche auch abkapiteln und Lektion)[2]

Synonyme:

[1] umgangssprachlich: jemandem die Epistel lesen, jemandem das Kapitel lesen, jemandem den Text lesen

Sinnverwandte Wörter:

[1] umgangssprachlich: jemandem einen einschenken, jemandem eine Standpauke halten, (jemandem ordentlich) einheizen
[1] umgangssprachlich abwertend: jemandem eine Gardinenpredigt halten, jemanden auf den Pott setzen

Beispiele:

[1] „Mir lesen Sie auch noch die Leviten![7]
[1] „Jedesmal, wenn ich wieder von der Uni in mein Zimmer zurückkam, steckte ein neuer in meiner Schreibtischschublade. Meine Schlüsselsammlung wurde dadurch von Tag zu Tag größer, bis mich die Oberin irgendwann zu sich bestellte und mir ganz gehörig die Leviten las und mit den drohenden Worten schloß: »Und ziehen Sie mir nie wieder einen Schlüssel ab!«“[8]
[1] „Vielleicht sollte unser Christian seinem Papa mal die Leviten lesen![9]
[1] „Also: Wohl dem Chef, der seine Mitarbeiter nicht zu Speichelleckern erzieht, sondern sich gegebenenfalls kräftig die Leviten lesen lässt.“[10]
[1] „Gestolpert ist Roemer schon: In den ersten TV-Debatten der Spitzenkandidaten war er zahm wie eine Hauskatze und musste sich von Premier Rutte die Leviten lesen lassen.“[11]
[1] „Nachdem der französische Präsident den ‚illiberalen‘ Regierungen der ganzen Welt die Leviten gelesen hat, muss er jetzt also selbst auf deren Rezepte zurückgreifen.“[12]

Übersetzungen[Bearbeiten]

[1] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „Leviten
[*] Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch – elexiko „Leviten
[1] Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch – Fremdwörterbuch „Leviten
[1] The Free Dictionary „Leviten
[1] Duden online „Levit
[1] Wahrig Großes Wörterbuch der deutschen Sprache „Leviten“ auf wissen.de
[1] PONS – Deutsche Rechtschreibung „Leviten
[1] Uni Leipzig: Wortschatz-PortalLeviten“, Uni Leipzig: Wortschatz-Portaldie Leviten lesen
[1] Redensarten-Index „jemandem die Leviten lesen
[1] Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon „Leviten
[1] Meyers Großes Konversationslexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. Sechste, gänzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig/Wien 1905–1909, Stichwort „Leviten“ (Wörterbuchnetz), „Leviten“ (Zeno.org)
[1] Heinz Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. In: Digitale Bibliothek. 1. Auflage. 36, Directmedia Publishing, Berlin 2006, ISBN 3-89853-436-7, Stichwort »Leviten«.
[1] Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Das große Fremdwörterbuch. Herkunft und Bedeutung der Fremdwörter. 4. Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2007, ISBN 978-3-411-04164-0 (CD-ROM-Ausgabe), Stichwort »Leviten«.
[1] Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Redewendungen. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. In: Der Duden in zwölf Bänden. 4., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. Band 11, Dudenverlag, Berlin/Mannheim/Zürich 2013, ISBN 978-3-411-04114-5, Stichwort »jmdm. die Leviten lesen«, Seite 471.

Quellen:

  1. 1,0 1,1 1,2 Wolfgang Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, digitalisierte und aufbereitete Ausgabe basierend auf der 2., im Akademie-Verlag 1993 erschienenen Auflage. Stichwort „Leviten
  2. 2,0 2,1 Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch – Fremdwörterbuch „Leviten
  3. Heinz Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. In: Digitale Bibliothek. 1. Auflage. 36, Directmedia Publishing, Berlin 2006, ISBN 3-89853-436-7, Stichwort »Leviten«.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache. In: Der Duden in zwölf Bänden. 5., neu bearbeitete Auflage. Band 7, Dudenverlag, Berlin/Mannheim/Zürich 2013, ISBN 978-3-411-04075-9, Stichwort »Leviten: jmdm. die Leviten lesen«, Seite 520.
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Redewendungen. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. In: Der Duden in zwölf Bänden. 4., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. Band 11, Dudenverlag, Berlin/Mannheim/Zürich 2013, ISBN 978-3-411-04114-5, Stichwort »jmdm. die Leviten lesen«, Seite 471.
  6. Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon „Leviten
  7. Gerhart Hauptmann: Fuhrmann Henſchel. Schauſpiel in fünf Akten. 1. Auflage. S. Fiſcher, Verlag, Berlin 1899, Seite 20 (Zitiert nach Deutsches Textarchiv).
  8. Maria Gräfin von Maltzan: Schlage die Trommel und fürchte dich nicht. Erinnerungen. 13. Auflage. Ullstein, Berlin 1998, ISBN 978-3-548-24536-2, Seite 68 (Erstausgabe 1986).
  9. Ingrid Noll: Ladylike. Roman. Diogenes, Zürich 2006, ISBN 978-3-257-06509-1, Seite 8.
  10. Jens Jessen: Wer sagt dem Chef die Wahrheit? Lexikon der Arbeitswelt. In: ZEIT Campus. Nummer 06, 26. November 2008 (ZEIT Campus Archiv-URL, abgerufen am 10. Dezember 2012).
  11. Helmut Hetzel: Niederlande: Auf Wählerfang mit Anti-EU-Parolen. In: DiePresse.com. 6. September 2012, ISSN 1563-5449 (URL, abgerufen am 10. Dezember 2012).
  12. Serge Halimi, Pierre Rimbert: Klassenkampf in Frankreich. In: Le Monde diplomatique. 7. Februar 2019 (übersetzt von Ursel Schäfer aus dem Französischen), ISSN 1434-2561, Seite 23 (Deutsche Ausgabe, LMd Archiv-URL, taz Archiv-URL, abgerufen am 16. August 2020).