etwas auf dem Kerbholz haben

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des Jahres 2012 das Wort der Woche.

etwas auf dem Kerbholz haben (Deutsch)[Bearbeiten]

Redewendung[Bearbeiten]

Nebenformen:

in Österreich: etwas am Kerbholz haben

Worttrennung:

et·was auf dem Kerb·holz ha·ben

Aussprache:

IPA: [ˈɛtvas aʊ̯f deːm ˈkɛʁphɔlt͡s ˈhaːbn̩]
Hörbeispiele: Lautsprecherbild etwas auf dem Kerbholz haben (Info)

Bedeutungen:

[1] umgangssprachlich: etwas Unerlaubtes begangen haben, sich etwas zuschulden kommen lassen haben

Herkunft:

Doppeltessel, eine Schweizer Art des Kerbholzes
Die Redewendung bezieht sich auf das Kerbholz, ein Hilfsmittel bei der Buchführung aus früheren Zeiten: Als noch nicht so viele Menschen lesen und schreiben konnten und daher schriftliche Quittungen et cetera unüblich waren, wurden zur Aufzeichnung und zum Nachweis beispielsweise von Warenlieferungen, Arbeitsleistungen und Schulden Kerbhölzer, auch Kerbstöcke genannt, verwendet.[1][2][3] Dies funktionierte in der Art, dass man in der Regel ein zweiteiliges Kerbholz hatte, das durch das Längsspalten eines Stabes geschaffen wurde.[4] Man hielt nun die beiden Teile genau aneinander und schnitt, ritzte, sägte, feilte oder brannte in die Hölzer Kerben ein, die je nach ihrer Form für eine bestimmte Menge oder eine bestimmte Leistung standen.[4] Alternativ wurde erst das Holz entsprechend eingekerbt und anschließend gespalten.[3] Den einen Teil des Kerbholzes erhielt nun der Gläubiger, den anderen der Schuldner.[1][2][4][3] Für je zwei Geschäftspartner gab es ein eigenes Kerbholz.[3] Bei jeder Abrechnung zwischen den Parteien wurden die Kerbhölzer aneinandergelegt, wobei sich die Einkerbungen exakt entsprechen mussten.[1][2][4] Nach der Abrechnung und Bezahlung wurde das Holz „abgekerbt“, es wurden also die Kerben mit Feile, Hobel oder Messer entfernt.[4] Das Kerbholz war im ländlichen Geschäftsverkehr etwa zwischen Bauern und Handwerkern noch bis ins 19. Jahrhundert gebräuchlich, im Sennereiwesen sogar teilweise bis ins 20. Jahrhundert.[4] Da die Einkerbungen des Kerbholzes meist für Schulden gestanden haben dürften, kam es zum negativen Unterton der Redewendung.[3]

Beispiele:

[1] Ich frage mich, ob der Typ etwas auf dem Kerbholz hat, so merkwürdig wie der sich benimmt.
[1] Die neue Freundin meines Cousins hat allerhand auf dem Kerbholz.
[1] „Aber was immer er auf dem Kerbholz gehabt hatte, sein Pool machte es wieder gut.“[5]

Übersetzungen[Bearbeiten]

[1] Redensarten-Index „etwas auf dem Kerbholz haben
[1] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „Kerbholz
[1] The Free Dictionary „Kerbholz
[1] Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Redewendungen. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. In: Der Duden in zwölf Bänden. 2., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. Band 11, Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2002, ISBN 3-411-04112-9, „etw. auf dem Kerbholz haben“, Seite 407.
[1] Klaus Müller (Herausgeber): Lexikon der Redensarten. Herkunft und Bedeutung deutscher Redewendungen. Bassermann Verlag, München 2005, ISBN 3-8094-1865-X, DNB 974926760, „etwas/allerhand/viel auf dem Kerbholz haben“, Seite 305.
[1] Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Band 2: Hanau–Saite, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau/Basel/Wien 2009, ISBN 978-3-9811483-8-1, DNB 998963240 (Neuausgabe), „etw. auf dem Kerbholz haben“, Seite 832.
[1] Gerhard Wagner: Schwein gehabt! Redewendungen des Mittelalters. 13. Auflage. Regionalia Verlag GmbH, Rheinbach 2012, ISBN 978-3-939722-31-1, „etwas auf dem Kerbholz haben“, Seite 40.

Quellen:

  1. 1,0 1,1 1,2 Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Redewendungen. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. In: Der Duden in zwölf Bänden. 2., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. Band 11, Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2002, ISBN 3-411-04112-9, „etw. auf dem Kerbholz haben“, Seite 407.
  2. 2,0 2,1 2,2 Klaus Müller (Herausgeber): Lexikon der Redensarten. Herkunft und Bedeutung deutscher Redewendungen. Bassermann Verlag, München 2005, ISBN 3-8094-1865-X, DNB 974926760, „etwas/allerhand/viel auf dem Kerbholz haben“, Seite 305.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Gerhard Wagner: Schwein gehabt! Redewendungen des Mittelalters. 13. Auflage. Regionalia Verlag GmbH, Rheinbach 2012, ISBN 978-3-939722-31-1, „etwas auf dem Kerbholz haben“, Seite 40.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Band 2: Hanau–Saite, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau/Basel/Wien 2009, ISBN 978-3-9811483-8-1, DNB 998963240 (Neuausgabe), „etw. auf dem Kerbholz haben“, Seite 832.
  5. Helge Timmerberg: Die rote Olivetti. Mein ziemlich wildes Leben zwischen Bielefeld, Havanna und dem Himalaja. Piper, München/Berlin/Zürich 2016, ISBN 978-3-492-05755-4, Zitat Seite 141.