Witwenschüttler

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Witwenschüttler (Deutsch)[Bearbeiten]

Substantiv, m[Bearbeiten]

Singular Plural
Nominativ der Witwenschüttler die Witwenschüttler
Genitiv des Witwenschüttlers der Witwenschüttler
Dativ dem Witwenschüttler den Witwenschüttlern
Akkusativ den Witwenschüttler die Witwenschüttler

Worttrennung:

Wit·wen·schütt·ler, Plural: Wit·wen·schütt·ler

Aussprache:

IPA: [ˈvɪtvn̩ˌʃʏtlɐ]
Hörbeispiele: Lautsprecherbild Witwenschüttler (Info)

Bedeutungen:

[1] sondersprachlich (Jargon der Journalisten) salopp: Journalist (vor allem ein Boulevardjournalist), der nach einem tragischen Unfall oder Verbrechen den betroffenen Angehörigen auflauert und/oder nachstellt, um ihnen Äußerungen zu entlocken in Hoffnung auf sensationelle Enthüllungen; auch die Presseanstalt, deren Publikationen sich häufig auf Witwenschütteln stützen

Herkunft:

Ableitung (Nomen agentis) zum Substantiv Witwenschütteln, seinerseits eine Ableitung (Substantivierung) der Wendung Witwen schütteln durch Zusammenrückung

Weibliche Wortformen:

[1] Witwenschüttlerin

Oberbegriffe:

[1] Journalist

Beispiele:

[1] „‚Witwenschüttler‘ nannte man früher in der Branche sensationsgierige Reporter, die aus den Opfern von Verbrechen und ihren Angehörigen auch noch die verborgenste menschliche Regung hervorzuholen versuchen.“[1]
[1] „Souveräner lösen die Witwenschüttler ihre Aufgabe. Während das Haus noch quälmt, ist Bild schon dran an den Hinterbliebenen und kann seinen Lesern tags darauf Privataufnahmen der Toten bieten.“[2]
[1] „Er braucht kritische Köpfe und keine Krawallschreiber. Keine Witwenschüttler oder Sargdeckelöffner.“[3]
[1] „Ich denke, den typischen Boulevardjournalisten, den Sie jetzt meinen, das ist der Sargdeckelaufklapper oder der Witwenschüttler.[4]
[1] „Wer das Fernsehgerät einschaltet, den Radioknopf drückt, oder die Auslagen am Zeitungskiosk studiert, meint, er habe es dabei immer mit Journalisten zu tun. Doch das ist Vergangenheit. In den Medien tummeln sich viele - Schlüssellochreporter, Witwenschüttler, Busenwunder, Werbefuzzis und Wahrheitssucher.“[5]
[1] „Sofort ergossen sich kübelweise Wut und Häme über die «zynischen Auflagenmacher», das Image der skrupellosen «Sargdeckel-Öffner» und «Witwenschüttler» schien sich zu bestätigen.“[6]
[1] „ Und dass nun die Journalistenkollegen wieder vermehrt als ‚Witwenschüttler‘ im Einsatz sind, macht sie auch nicht beneidenswert. (‚Witwenschüttler‘ werden im Jargon Reporter genannt, die Hinterbliebenen emotionale Zitate entlocken und dabei tränenreiche Bilder schiessen.)“[7]
[1] „Die Witwenschüttler, die mit Heuchelei und Zynismus bei den Hinterbliebenen Fotos von Opfern besorgen, die Bluthunde, die mit Kameras zur nächsten Massenkarambolage eilen und Großfeuer wegen der Bilder schätzen – das alles gehörte immer schon zu dem weiten Berufsfeld.“[8]
[1] „Wir dürfen es den Kollegen nicht übel nehmen, dass sie nicht am selben Tag ausgezeichnet werden wollen, wie eine Zeitung, die gemeinhin als ‚Witwenschüttler‘ bezeichnet wird.“[9]
[1] „Wer darauf hinweist, und sei es nur in Andeutungen, wie Hans Leyendecker bei seiner Ablehnung des zweiten Investigativpreises oder deutlicher wie taz-Chefredakteurin Ines Pohl, die von ‚Witwenschüttlern‘ sprach und dafür auf der Bühne ausgepfiffen wurde, isoliert sich damit in der Branche, gilt als gestrig – die Bild-Kusch(l)er haben die Meinungsführerschaft übernommen:[…].“[10]

Übersetzungen[Bearbeiten]

Quellen:

  1. Auf den Münchner Medientagen versuchten die Macher, einenTrend zur Besserung zu belegen. In: Nürnberger Nachrichten. 20. Oktober 1995, Seite 2.
  2. Thomas Kleine-Brockhoff: Jagdszenen im Namen der Pressefreiheit. In: DIE ZEIT. Nummer 06/1996, 2. Februar 1996, ISSN 0044-2070 (DIE ZEIT-Archiv, abgerufen am 24. März 2015).
  3. Charakterköpfe für die „Schweinewelt“. In: Süddeutsche Zeitung. Nummer 247, 24. Oktober 1998, ISSN 0174-4917, Seite 4/14 (Beilage).
  4. Susanne Höke: "Love it or Loath it – you can’t ignore it" – Die tagesaktuelle Boulevardpresse in Grossbritannien und in Deutschland. Ein internationaler Vergleich am Beispiel der inhaltlichen Struktur und Ansprechhaltung von "The Sun" und "Bild". Diplomica, Hamburg 2005, Seite 42 (Diplomarbeit, zitiert nach Google Books)
  5. Zwischen Witwenschüttler und Wahrheitssucher. Eine neue Studie beschreibt das Berufsbild des Journalisten. Deutschlandradio-Chef Ernst Elitz über die wenig angesehene Branche. In: Der Tagesspiegel. 17. Juni 2006.
  6. klb: Du sollst nicht langweilen. In: Der Bund. 1. März 2008, Seite 004.
  7. Ein "Blick" zurück. In: Basler Zeitung. 15. Oktober 2009, Seite 2–3.
  8. Hans Leyendecker: Insel der Menschenjäger. In: Süddeutsche Zeitung. 11. Juli 2011, ISSN 0174-4917, Seite 15.
  9. Skandal um Nannen-Preis: Umstrittene Ehrung für "Bild"-Journalisten. "Süddeutsche" lehnt daraufhin die Auszeichnung ab. In: Hamburger Morgenpost. 12. Mai 2012, Seite 16–17.
  10. David Denk: Alles halb so wild mit "Bild"? In: taz.die tageszeitung. Nummer 9802, 15. Mai 2012, ISSN 0931-9085, Seite 14.