Diskussion:spruchreif

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Vorkommen und Bedeutung[Bearbeiten]

Aus den Belegen bei DWDS (https://www.dwds.de/r?corpus=zeit;q=spruchreif) geht für mich hervor, dass das Standardvorkommen dieses Worts negativ ist (nicht s., noch nicht s.) bzw. sich auf einen Zeitpunkt in der Zukunft bezieht (wird erst dann s., wenn...), von dem nicht sicher ist, dass er am Ende erreicht wird. Die 'eigentliche' Bedeutung scheint für mich zu sein: 'entscheidungsreif' bzw. etwas hat ein Stadium erreicht, in dem man (öffentlich) darüber reden kann bzw. in dem es sich lohnt, darüber zu reden. Vereinfachend und etwas vorschnell wird das Wort auch im Sinne von 'soweit fertig, geklärt, jetzt offiziell', quasi 'unterschriftsreif' benutzt. Es steht in inhaltlichem Zusammenhang mit '(das sind) ungelegte Eier', 'noch zu unausgegoren', 'noch zu früh, dazu etwas zu sagen'. Pragmatisch ist es oft ein verhüllender Ausdruck, um klar zu machen, dass man zu einem Thema nichts sagen wird. Kontext ist der Bereich 'Information', im Journalismus zu einem Thema von öffentlichem Interesse. Als Herkunft vermute ich nach dem DWB ein 'soweit verhandelt, dass ein Richterspruch gefällt werden kann', so in älteren Texten ausschließlich (1. Hälte 19. Jh., mit Google Books Ngram Viewer erschließbar), heute eher verallgemeinert zu einem 'sprech-reif': Man kann und darf jetzt darüber reden und auch Antworten erwarten. Das herauszufinden braucht man eine halbe Stunde, daraus einen Artikel zu machen bzw. den vorhandenen zu verbessern mindestens eine, eher zwei. --Rjoe (Diskussion) 08:32, 4. Aug. 2017 (MESZ)[Beantworten]

Im juristischen Kontext wird das Wort nicht vorwiegend dann benutzt, wenn Spruchreife fehlt. Aber wenn sie fehlt, dann heißt es eben „Die Sache ist nicht spruchreif.“. Und dann kriegt der Kläger auf seine Verpflichtungsklage hin vom VG statt eines Verpflichtungsurteils nur ein Bescheidungsurteil, auf dessen Grundlage die Behörde ihr Ermessen neu ausüben muss. Im Zivilprozess gibt es auch Entscheidungsformen, die bei mangelnder Spruchreife ergehen, zum Beispiel das Vorbehaltsurteil.
Im Grunde kann man sagen, dass Spruchreife gegeben ist, wenn das Gericht über den Rechtsstreit abschließend entscheiden kann, weil der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt ist und dem Gericht für sämtliche zu entscheidenden Rechtsfragen die alleinige Entscheidungskompetenz zukommt. An der letzten Voraussetzung fehlt es etwa dann, wenn im Verwaltungsrecht die streitentscheidende Norm auf der Rechtsfolgenseite Ermessen einräumt, welches das Gericht nicht anstelle der Behörde ausüben darf (Gewaltenteilung). Im Zivilprozess kann es vorkommen, dass eine Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Gegenforderung erklärt wird, über die das angerufene Zivilgericht nicht entscheiden kann (will, § 17 II 1 GVG). Elleff Groom ⁓ ☞ Коллоквиум 09:23, 4. Aug. 2017 (MESZ)[Beantworten]
Das sind wahrlich ungeahnte Einblicke. Sehr interessant. Man sieht darüber hinaus, dass Juristen sich in einer eigenen Welt bewegen, sie haben sozusagen ihre eigene Sprache erfunden, die einem Alltagsmenschen nicht ohne weiteres zugänglich ist. Ich frage mich, wie dieses Wort aus der Sphäre der Rechtssprache in die Gemeinsprache abgewandert ist, aber für den heutigen Gebrauch ist das nicht entscheidend. Der von Dir genannte Hintergrund gehört unter 'Herkunft' mit den Artikel, natürlich stark vereinfacht und nicht in dieser Komplexität. Das zugehörige Nomen 'Spruchreife' hat es hingegen nicht zu allgemeiner Verbreitung gebracht und bleibt den Juristen zum exklusiven Gebrauch. Dass mit dem Wort 'Spruch' oft 'Richterspruch' gemeint ist und es in vielen Wortzusammensetzungen sofort den Kontext 'juristisch' assoziiert (Spruchkammer, Spruchpraxis, Schuldspruch, Urteilsspruch usw.), wäre eine lexikalische Eigenschaft, auf die man ggf. auch sein Augenmerk richten könnte.
Beim Hinterhersuchen mit 'Spruchreife' bei DWDS bin ich gerade auf eine Steigerungsform des Adjektivs gestoßen: "Spruchreifer kann eine Frage garnicht sein, denn 90 v. H. aller Ärzte haben in 7/8 ihrer Tätigkeit mit der Durchführung der sozialen Hygiene und mit den Kassenkranken zu tun." (Vossische Zeitung (Abend-Ausgabe), 03.03.1905). Das ist zwar eine seltene Ausnahme, "noch spruchreifer" kommt aber an die 10mal vor, was für mich die Frage aufwirft, wie man zu einer Aussage wie 'nicht steigerbar' kommt bzw. was diese Aussage bedeuten soll. --Rjoe (Diskussion) 10:59, 4. Aug. 2017 (MESZ)[Beantworten]