wo aber ein Aas ist, da sammeln sich die Geier

Aus Wiktionary, dem freien Wörterbuch

wo aber ein Aas ist, da sammeln sich die Geier (Deutsch)[Bearbeiten]

Sprichwort[Bearbeiten]

Nebenformen:

wo Aas ist, da sammeln sich die Geier, wo das Aas ist, da sammeln sich die Geier, wo ein Aas ist, sammeln sich die Geier, wo ein Aas ist, da sammeln sich die Geier, wo Aas ist, sammeln sich die Geier; sowie: „… (da) sammeln sich auch die Geier“; veraltet: wo (ein/das) Aas ist, da sammeln sich die Adler
wo Aas ist, da versammeln sich die Raben[1]

Worttrennung:

wo aber ein Aas ist, da sam·meln sich die Gei·er

Aussprache:

IPA: [voː aːbɐ aɪ̯n ˈaːs ɪst daː ˈzaml̩n zɪç diː ˈɡaɪ̯ɐ]
Hörbeispiele: Lautsprecherbild wo aber ein Aas ist, da sammeln sich die Geier (Info)

Bedeutungen:

[1] Wo Gewinn oder ein leichter, schneller Erfolg locken[2], wo Begehrlichkeiten geweckt werden, kommen viele Menschen, von Gier oder Habgier getrieben, zusammen, zum Beispiel Erbschleicher

Herkunft:

Stammt aus der Endzeitrede[3] in den Evangelien nach Matthäus 24,28 EU und Lukas 17,37 EU. Geht zurück auf Martin Luthers Übersetzung (Matthäus): „Wo aber ein Ass ist, da samlen sich die Adler.“[4]
Die ältere, heute nicht mehr sprichwörtliche Variante mit Adler stammt von der korrekten Übersetzung der Wörter Altgriechisch ἀετός (aetos→ grc[5] und Latein aquila (Vulgata), welche beide „Adler“ bedeuten.[6] Es war bekannt, dass mit den Raubvögeln in dem Sprichwort keine klassischen Adler gemeint sein konnten,[7] daher hielt man schon im 19. Jahrhundert eine Übersetzung mit „Geier“ für bildhafter und plausibler.[8] Im Tanach bedeutet נֶשֶׁר‎ (CHA: næšær) → he je nach Kontext Adler oder Geier,[9] auch fressen beispielsweise Steinadler auch Aas.[10] Noch Anfang des 20. Jahrhunderts wurde als Ausspruch der Bibeltext mit „Adler“ zitiert.[11] Die Lutherbibel ersetzte in ihrer Revision 1956 Adler durch Geier.[12]
Zu den Nebenformen
Der bestimmte Artikel τὸ nur bei Lukas[5] ist der Grund für den Wechsel zwischen „Aas“/„ein Aas“ und „das Aas“ in den Zitaten.
Die Sprache verändert sich mit der Zeit, was sich auf die Wörter, die nicht zur Kernaussage gehören, auswirkt — sowohl im sprichwörtlichen Gebrauch als auch in den Übersetzungen der Bibel. Beispielsweise bewahrt der 1912 revidierte Text der Lutherbibel die alte Wendung: „wo aber ein Aas ist, …“.[13] Schon Wander zitiert 1867 das „aber“ nicht (mehr).[8] Der Bibeltext der Revision 1984 lässt das „aber“ wegfallen und verwendet nun den bestimmten Artikel: „Wo das Aas ist, …“[14]
Die seltenere Formulierung des Nachsatzes mit auch: „(da) sammeln sich auch die Geier“ tritt bei einigen Übersetzungen von Lukas 17,37 EU zu Tage, denn Lukas fügt noch ein καί (kai→ grc „und“, „auch“ vor „die Adler“ ein.[5]

Beispiele:

[1] „Wo ein Aas ist, sammeln sich die Geier. Bald nachdem die Franzosen den fliehenden Preußen nachgeeilt waren, fanden sich zugleich Spekulanten, das unglückseelige Land noch mehr zu verderben.“[15]
[1] „Man könne das Vorhandensein einer Krise daran erkennen, dass die Menge der Ratgeber rasant steige: ‚Wo ein Aas ist, da sammeln sich die Geier‘, zitiert Pater Mertes mit einem Augenzwinkern die Bibel.“[16]
[1] „›So sind wir unrettbar ruiniert, Herr Oldbuck?‹ fragte die junge Dame.
›Unrettbar? Das hoff' ich nicht. Aber die Forderung ist sehr hoch - und es werden noch andere haufenweis kommen.‹
›Ja, das ist nicht zu bezweifeln, Monkbarns,‹ sagte Sir Arthur, ›wo Aas ist, sammeln sich die Geier. Den Geier, der so lange auf mir rumgehackt hat – den haben Sie doch sicher?‹“[17]
[1] „‚Sie auch hier, Mister -?‘, fragte der Steward überrascht. ‚Kane -‘, fiel der andere ihm rasch ins Wort. ‚[…] Henry Kane, Abenteuerer und Spekulant, der jede geeignete Methode benutzen wird, um von dem Golde, das da oben gefunden wird, möglichst viel in seine Taschen zu lenken.‘
‚Sie wollen also auch nach dem Klondike?‘, ‚[…] Wo Aas ist, sammeln sich die Geier‘, erklärte Kane […].“[18]

Übersetzungen[Bearbeiten]

[1] Brockhaus-Enzyklopädie. Neunzehnte, völlig neu bearbeitete Auflage. Band 32: Zitate und Redewendungen, F.A. Brockhaus GmbH, Leipzig/Mannheim 1999, ISBN 3-7653-1172-3, DNB 957393091, Seite 798.
[1] Maria Grazia Chiaro, Werner Scholze-Stubenrecht: Duden, Zitate und Aussprüche. In: Dudenredaktion (Herausgeber): Der Duden in 12 Bänden. 2., neubearbeitete und aktualisierte Auflage. Band 12, Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2002, ISBN 978-3-411-04122-0, DNB 962265780, Seite 621.
[1] Kurt Böttcher und andere: Geflügelte Worte. Zitate, Sentenzen und Begriffe in ihrem geschichtlichen Zusammenhang. 4., durchgesehene Auflage. VEB Bibliographisches Institut Leipzig, Leipzig 1985, Seite 140 (Nummer 854) „Wo aber ein Aas ist, da sammeln sich die (Adler) Geier“
[*] Wo ein Aas ist, sammeln sich die Geier. In: sprichwoerter.net. Abgerufen am 4. Februar 2014 (Deutsch).
[1] Überlieferung: Kuratorium Singer der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (Herausgeber): Thesaurus proverbiorum medii aevi = Lexikon der Sprichwörter des romanisch-germanischen Mittelalters. Band 1, Walter de Gruyter, Berlin 1995, ISBN 3-11-014628-2, Aas, Seite 5 f., DNB 94221921X
[1] Inhalt und Überlieferung: Peter Müller: Schnell und unausweichlich (Vom Aas und den Geiern). Q 17,37 (Mt 24,28 / Lk 17,37). In: Ruben Zimmermann (Herausgeber): Kompendium der Gleichnisse Jesu. Güterloh 2007, ISBN 978-3-579-08020-8, Seite 235–239, DNB 983934584

Quellen:

  1. Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon „Aas“, Seite 3, Nummer 10
  2. Thesaurus proverbiorum medii aevi=Lexikon der Sprichwörter des romanisch-germanischen Mittelalters (Referenz), Seite 5 „Aas zieht an“
  3. Wikipedia-Artikel „Eschatologische Rede Jesu
  4. Thesaurus proverbiorum medii aevi=Lexikon der Sprichwörter des romanisch-germanischen Mittelalters (Referenz), Seite 5
  5. 5,0 5,1 5,2 Matthäus, Novum Testamentum Graece: Lesen im Bibeltext. In: bibelwissenschaft.de. Deutsche Bibelgesellschaft, abgerufen am 15. November 2013 (Deutsch). und Lukas, Novum Testamentum Graece: Lesen im Bibeltext, am angegebenen Ort
  6. Peter Müller: Schnell und unausweichlich (Referenz), Seite 236
  7. 1833: „Die eigentlichen, wahren Adler fressen aber niemals Aas, wie die Geier, Raben u. a.“ aus: Johann Christian August Heyse: Hülfsbuch für den Unterricht in der deutschen Aussprache und Rechtschreibung. Neue vermehrte und verbesserte Ausgabe Auflage. Hahn'sche Buchhandlung, Hannover 1833, Seite 1 (Google Books, abgerufen am 4. Februar 2014)
  8. 8,0 8,1 Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon „Aas“ (1876), Seite 3, Nummer 13 „Wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler. […] Richtiger die Aasgeier.“
  9. Stichwort: Adler. Deutsche Bibelgesellschaft, abgerufen am 18. Februar 2024.
  10. Wikipedia-Artikel „Steinadler, Abschnitt Nahrung
  11. Franz von Lipperheide: Spruchwörterbuch. Sammlung deutscher und fremder Sinnsprüche, Wahlsprüche, Inschriften an Haus und Gerät, Grabsprüche, Sprichwörter, Aphorismen, Epigramme, von Bibelstellen, Liederanfängen, von Zitaten aus älteren und neueren Klassikern, sowie aus den Werken moderner Schriftsteller, von Schnaderhüpfln, Wetter- und Bauernregeln, Redensarten usw., nach den Leitworten, sowie geschichtlich geordnet und unter Mitwirkung deutscher Gelehrter und Schriftsteller herausgegeben. Berlin 1907, Seite 1
  12. Kurt Böttcher: Geflügelte Worte (Referenz), ebenda
  13. Matthäus 24 (Luther 1912). In: bibel-online.net. CID – christliche internet dienst GmbH, abgerufen am 15. November 2013 (Deutsch).
  14. Matthäus 24,28 LUT
  15. Heinrich Zschokke (Herausgeber): Anekdoten aus der Geschichte des nordischen Krieges. In: Miszellen für die neueste Weltkunde. Band 1, Nummer 10, Verlag der Samuel Flick'schen Buchhandlung, Arau, Basel 4. Februar 1807, Seite 39 (Google Books, abgerufen am 9. November 2013)
  16. Politischer Aschermittwoch der Hauptabteilung Politik und Beratung. In: Veranstaltungsbeiträge. Konrad-Adenauer-Stiftung, 2. März 2009, abgerufen am 12. November 2013 (Deutsch).
  17. Walter Scott: Der Altertümler. Zweiter Band, tredition GmbH, Hamburg ohne Angabe (Originaltitel: The Antiquary, übersetzt von Erich Walter), ISBN 978-3-8424-1694-9, Seite 178 (ursprünglich: Berlin 1905, Projekt Gutenberg, abgerufen am 15. November 2013)
  18. Emil Droonberg: Die Goldwäscher am Klondike. BookRix, München 2013, ISBN 978-3-7309-1143-3, Auf nach Alaska!, Seite (keine Angabe) (Google Books, abgerufen am 29. November 2013)
  19. Bible, trad.1993 en français courant, Mat. 24,28